Das Land Vorarlberg betet
Newsletter Nr. 46 – Landeshauptmann Wallner (ÖVP) lädt zum interreligiösen "Kerzenritual"
In der Coronazeit Verstorbenen zu gedenken, weil Begräbnisse oft nicht in einem angemessenen Rahmen stattfinden haben können, ist grundsätzlich eine schöne, jedenfalls aber eine legitime Geste. Aber auch das darf kein Anlass sein, institutionell getrennte Sphären zu vermengen – erst recht nicht, wenn das in einer ausschließenden Art und Weise passiert.
Es ist noch nicht lange her, dass Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka eine “adventliche Gebetsfeier” im österreichischen Parlament veranstaltet hat. Siehe dazu Newsletter #39. Die Reaktionen darauf waren für österreichische Verhältnisse ungewöhnlich vehement, aber das hindert das Amt der Voralberger Landesregierung nicht, gemeinsam mit der katholischen Kirche Vorarlberg zur interreligiösen Gedenkfeier einzuladen. Die Republik betet wieder. Der ORF überträgt.

Diese Veranstaltung ist ein Problem, weil in Österreich einige wenige religiöse Weltanschauungen (Staatsreligionen) grundsätzlich gegenüber anderen und nicht-religiösen Weltanschauungen gesetzlich bevorzugt werden. Dieser überholten sonderrechtlichen Besserstellung steht eine weitgehende, aber nicht vollständige institutionelle Trennung gegenüber, die an dieser Stelle einmal mehr nicht eingehalten wird. Staatsreligiöse Veranstaltungen darf es im säkularen Staat nicht geben. Außerdem unterliegt die Republik einem Identifikationsverbot mit einzelnen Religionen und Religion generell. Auch für traurige Anlässe wie eine Gedenkfeier "für Verstorbene in der Coronazeit" ist in dem Rahmen kein Platz. Unabhängig davon erstreckt sich die mit dem Logo des Landes versehene Einladung in ihrer Interreligiösität nur auf Christentum, Bahai, Islam und Buddhismus – eine sehr non-inklusive Auswahl.
Selbstverständlich ist nicht dagegen einzuwenden, wenn der Landeshauptmann in seiner Freizeit eine Gebetsfeier besucht. Ein Bundesland (und seine Ressourcen) als Veranstalter für eine religiöse Feier in Anspruch zu nehmen, ist aber eine unzulässige Grenzüberschreitung.
Eine ausführlicherer Text von mir dazu ist am 9. Dezember 2020 auch im Standard als Gastkommentar erschienen: Kein Mandat für Advent im Parlament