Inseratenkorruption: Näher als erlaubt
Newsletter Nr. 55 – Andreas Wetz über die anzeigenforcierte Wechselwirkung von Politik und Medien
Den Newsletter von Michael Fleischhacker brauche ich in toto nicht zu empfehlen, aber auf den aktuellen zur sogenannten direkten Presseförderung durch Inserate möchte ich explizit hinweisen. Seinem Befund ist nicht viel hinzuzufügen; den Abschlusssätzen schließe ich mich an: "Wie man da wieder rauskommt, weiß ich nicht. Aber es schiene mir hilfreich, zu verstehen, dass man drin ist." Das Jammertal eines Journalismus am Tropf, das sich durch erodierende Geschäftsmodelle verbreitert, mündet ohnehin in die unkontrollierbare Tiefebene sozialer Netzwerke. Auch dort wird von manchen mehr Staat, nicht als Förderung, sondern in Form von Zensur gefordert, die im Interim mit freiwilliger Selbstkontrolle schon beginnt, arbiträre Einschränkungen des Rechts auf freie Rede vorzunehmen. Das ist bereits ein wachsendes Problem.
In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen "Free Speech", ein Essay in Buchform von Andrew Doyle nahelegen. Sein satirisches Alter Ego Titiana McGrath kennen Sie vielleicht. Wenn nicht, dann hören oder lesen Sie bitte: "Woke: A Guide to Social Justice". Das waren jetzt einige Auftaktempfehlungen für den eigentlichen Inhalt dieses Newsletters, nämlich:
"Näher als erlaubt"
Der Kollege mit dem besten Wirkungsgrad in der Relation “Recherche und journalistischer Output” bei Addendum war mit Sicherheit Andreas Wetz. Jetzt – also vor einigen Monaten – hat er ein Buch geschrieben, das Sie vorerst hier kaufen können und das in den nächsten Tagen überall im Buchhandel verfügbar sein wird.
“Näher als erlaubt” widmet sich der Inseraten- und Förderbewirtschaftung der österreichischen Medienlandschaft durch die Politik – genau genommen jenem Teil, der die Geldflüsse auch steuert. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist bekanntlich günstig, da Sebastian Kurz und seine Prätorianer jüngst unfreiwillig einen kleinen Lichtstrahl auf das Verhältnis zwischen staatsnaher direkter Presseförderung und wohlwollender bzw. erwünschter Auslassung von Berichterstattung gerichtet haben. Dass die neue ÖVP hier nur eine Geisteshaltung fortgeführt hat, die in der Politik auch schon vorher Usance war, überrascht niemand. Der Titel "Näher als erlaubt" bringt auch genau das zum Ausdruck.
Andreas Wetz hat Daten und Anekdoten zusammengetragen, die die Wechselwirkung zwischen Politik und Medien in Österreich verdeutlichen: "Es ist das für die Bevölkerung meist unsichtbare, mit Strömen aus Steuergeld gesponnene Netz aus gegenseitigen Abhängigkeiten, das [...] sichtbar gemacht werden soll." In dieser aufklärenden Arbeit spart der Autor sogar den ORF aus – und das ist auch gut so, um einen einigermaßen unverstellten Blick auf die Presselandschaft zu bekommen. Förderempfänger sind so gut wie alle Medienhäuser in Österreich, wieviele davon in Korruption, die diesen Namen auch verdient, verwickelt sind, werden wir vielleicht in den nächsten Monaten und Jahren erfahren. Mit Sicherheit bewegen sich aber fast alle zumindest manchmal in moralischen Graubereichen – auch die Tages- und Wochenzeitungen, die mit dem Etikett Qualitätsjournalismus behaftet sind. Das ist beim Durchblättern oder an herausfallenden Beilagen auch für publizistische Laien leicht erkennbar. Das soll nicht unerwähnt bleiben, aber auch nicht ablenken, denn die Hauptdarsteller bleiben jedenfalls Boulevardmedien, die u. a. bei Corona-Sonderförderungen die Ranglisten anführen.
Wenn Sie sich für österreichische Innenpolitik interessieren, wird "Näher als erlaubt" dazu beitragen, mehr Verständnis für regierungsnahe Kommunikationsmechaniken zu entwicklen.