Kanzlerismus, Kommunismus, Katholismus, Kapitalismus
Newsletter Nr. 53 – Kahrismus oder Kurzismus wären noch zu ergänzen
Wenn kein Newsletter kommt, dann bedeutet es nicht, dass ich nicht schreibe, sondern manchmal die dafür notwendige Energie durch andere Texte verbraucht wird. Unlängst ist dieser etwas längere Buchbeitrag "Laïcité 2.0 — The Separation of State and Religion in the 21st Century" entstanden, der demnächst auch in deutscher Sprache im Jahrbuch der Michael-Gaismair-Gesellschaft erscheinen wird. Ich erwähne das nicht nur in der Hoffnung, dass Sie eines dieser Jahrbücher erwerben, sondern auch, weil wenige Tage nachdem ich diesen Text auf meinem Medium-Account veröffentlicht hatte, mir dieses türkise Heiligenbild erschien.
Es hätte auch als Illustration sehr gut zu oben erwähntem Text gepasst.
Kanzlerismus x Katholismus
Sebastian Kurz fährt mit dem niederösterreichischen Bauernbund zu dessen 75-jährigen Jubiläum Wall nach Mariazell. Sein Publikum stärkt ihm türkis strahlend den Rücken. Ein Bild mit Symbolkraft für den österreichischen Katholismus (politischer Katholizismus) und eine Erinnerung daran, dass die politische Spielart einer Religion nicht fundamentalistisch sein muss, sondern auch demokratisch sein kann. Das gilt analog auch für den Islamismus, den es ebenso in einer nicht-radikalen, nicht-terroristischen Variante gibt. Das politische Ziel, die eigenen Ideologien und Moralitäten irgendwann einmal umzusetzen, eint den demokratischen und den undemokratischen Ismus. Die moderaten Äste politischer Religion, die aus dem Gedankengut desselben Stammes entspringen, sind an einem Staat, der religiöse Sonderrechte und Begehrlichkeiten demontiert, nicht interessiert; sie haben sich nur zwischenzeitlich arrangiert. Den Staat dagegen abzusichern, führt bekanntermaßen über den Weg der Privatisierung und Deprivilegierung der Religion sowie eine laizistische Verfassung.
PS: Selbstverständlich ist die liturgische Farbe im Bild grün, aber was türkis aussieht, sich wie türkis verhält und türkis wählt, kann auch so bezeichnet werden.
Im Übrigen sehe ich kein Problem darin, wenn der Kanzler seine Wählerinnen in der Kirche besucht und findet, solange er nicht wie Wolfgang Sobotka zum adventlichen Gebet ins Parlament (oder Bundeskanzleramt) einlädt.
Und weil wir beim Kanzlerismus sind, noch ein Tipp: Der nächste deutsche Kanzler heißt Laschet. Er wird den Grünen einfach noch weiter entgegenkommen als die SPD. Jetzt können Sie Geld auf Scholz setzen. Ich irre mich immer.
Kommunismus x Kapitalismus
Sie kennen sicher den Ententest: "If it looks like a duck, swims like a duck, and quacks like a duck, then it probably is a duck." Dieser wird auch gerne auf politische Zuschreibungen angewendet, beispielsweise, wenn es darum geht die Neue ÖVP zu identifizieren: "Wenn er sich türkis kleidet, ..." Sie kennen das.
Bei der Grazer KPÖ erfährt diese Form des etwas stumpfen Ockham'schen Rasiermessers ihre Umkehrung. Der Grazer Kommunismus nennt sich zwar so, hat aber mit der realen Mangelwirtschaft (theoretisch: Zentralverwaltungswirtschaft), Hungersnöten in der DVRK (Nordkorea), den Überwachungsstaaten des Warschauer Pakts, den albanischen Sigurimi, dem verschwundenen Vermögen der SED usw. usf. nichts zu tun – zumindest nicht in der Wahrnehmung seiner Claqueure. Die Grazer KPÖ ist aber auch keine Propagandistin abstrakter linker Theorie, die sich von der schlechten Umsetzung des Kommunismus distanziert. Sie ist aus der Distanz der einzigen größeren österreichischen Stadt betrachtet eine provinzielle, pragmatische Verzichtspartei, die hemdsärmelig umverteilen will. Eine Mischung aus populistischem Geldscheindispenser (Jörg Haider) und Immobilien-Enteignung light (Die Linke). Warum sich diese sonst so ideologiefreie Serviceeinrichtung der Stadt Graz unbedingt als kommunistisch bezeichnen will, verstehen auch nur diejenigen, die den Kommunismus als vermeintlich einzig effektive Widerstandsbewegung zum Faschismus sehen (Liberale Demokratien sehen das anders.) – wahlweise auch als Antagonist des Kapitalismus. Dabei vergessen sie aber, dass der Kapitalismus gar keine politische Ideologie ist. Wer also Kapitalismus und Kommunismus ungleich setzt, stellt damit den freien Markt ausschließlich der Zentralverwaltungswirtschaft (praktisch: Mangelwirtschaft) gegenüber. Andere Wesenszüge des Kommunismus (egal wie gelagert) sind in diesem Gegensatzpaar nicht mitgemeint, d. h. kategorisch ausgeschlossen.
Und auch hier noch ein Tipp: Kommunismus ist keine Meinung und die Grazer Kommunistinnen sollten die Gunst der Wahl nützen, um sich einen neuen Namen zu geben. Aber auch das wird nicht passieren.
Merci - wie immer hervorragend analysiert und auf den Punkt gebracht!