Religiöse Vermessenheit
Newsletter Nr. 50 – Die Präsentation der Islam-Landkarte kartografierte vor allem eines: identitätspolitische Begehrlichkeiten.
Der folgende Text ist am 10. Juni in der Presse erschienen.
Ein Staat, für den Weltanschauung Privatsache ist, privilegiert oder diskriminiert nicht nach Religion, sondern steht ihr in seinen Gesetzen indifferent gegenüber. Auf diese Ausgestaltung größtmöglicher Glaubensfreiheit verzichtet Österreich und pflegt das sogenannte kooperative Modell aus Republik und Religion. Religiöse Weltanschauungen werden gesamthaft bevorzugt, manche sind sogar gesetzlich anerkannt und als Staatsreligionen privilegiert. In dieser ideologischen Super-League – in der es primär auch um Geld geht – steigt der Islam trotz seiner Größe eher schlecht aus. Von den 15 Milliarden Euro an religiösen Steuerprivilegien, die das Finanzministerium unlängst benannte, können islamische Einrichtungen nur träumen. Mit dem neuen Islamgesetz von 2015 wurde der organisierte Islam in Österreich zudem umfassend neu politisiert – mit dem Versuch, über die IGGÖ eine steuerbare Organisation zu festigen, die sich vom staatsreligiösen Islam der Ursprungsländer absetzt.
Karte und Gebet
Prima vista klingt es paradox, dass eine Religion, die aus demokratischer Sicht als überdurchschnittlich problembehaftet angesehen wird, überhaupt privilegiert wird. Aber dieses Entgegenkommen geschieht nicht ohne Grund: Das kooperative Modell besteht aus Rechten und Pflichten und soll den anerkannten Religionen ein gewisses Maß an Transparenz und Rechenschaftspflicht abringen. Dazu zählt im weiteren Sinn auch die Erstellung der kritisierten Islam-Landkarte der Uni Wien, die recht unspektakulär öffentliche Daten zusammenfasst.
Ihre Nutzwertarmut ist sicher diskutabel, ebenso der Umstand, dass nur der Islam dieser speziellen Form der Erfassung unterliegt. Ein derartiges Verzeichnis ist trotzdem nicht dazu geeignet, eine gesellschaftliche Spaltung auszulösen. Ihre Präsentation durch Integrationsministerin Susanne Raab erfolgte aber ohne nachvollziehbaren Zweck. Darin ein Service zu sehen, das eine Unterscheidung zwischen politischem Islam und Religion für eine breite Öffentlichkeit erkennbar machen soll, geht an der Realität vorbei. Den unpolitischen Islam gibt es nur in den Köpfen seiner Anhänger, auf der Ebene des aufgeklärten laizistisch eingestellten Individuums, aber nicht in organisierter Form.
Solange wir auf Laizität verzichten und nolens volens in einem subventionierten Modell aus Republik und Religion leben, hat die Allgemeinheit ein gewisses Recht, zu erfahren, was Religionsgemeinschaften mit Steuergeld machen. Vermischt man diese Transparenz aber mit der Überwachung potenziell strafrechtlicher Aktivitäten, erzeugt man vermeidbare identitätspolitische Externalitäten. Auf einmal werden alle bedroht: Kartograf Ednan Aslan, Susanne Raab und Religion an sich. Moscheen werden mit Warnschildern zu Zielscheiben antimuslimischer Agitation. Islamische Organisationen inszenieren die Karte postwendend als Schuldige und sich als benachteiligte Minderheit, wohl wissend, dass sie als drittgrößte religiöse Gruppierung nach Katholiken und Orthodoxen dergestalt auch anerkannt und privilegiert sind. Der Erhalt dieser Sonderrechte ist auch der katholischen Kirche ein Anliegen. Christoph Schönborn, rhetorischer Schwarzgurt der Privilegienverteidigung, vereinnahmt als Unbeteiligter die Diskussion und dreht den vermeintlichen Angriff auf das Religiöse in eine Forderung nach einem „Religionsatlas“. Damit würde mit weiterem Mitteleinsatz ein mögliches Transparenzwerkzeug mit akademischem Hintergrund in ein religiöses Marketingvehikel umgestaltet und nutzlos gemacht. Die Ministerin löste mit ihrer Präsentation jedenfalls keine Probleme, sondern eine Spirale identitärer Opferrhetorik aus.
Kirchenfinanzierung durch Gemeinden
2012 erschien “Gottes Werk und unser Beitrag – Kirchenfinanzierung in Österreich” (Czernin Verlag). In einem verschwindend geringen Ausmaß habe ich an diesem Buch von Carsten Frerk und Christoph Baumgarten auch mitgearbeitet. Ich versuchte damals u. a. herauszufinden, wie ein systematischer Überblick über Zuwendungen der österreichischen Gemeinden an die Kirche hergestellt werden könnte.
Das ist mir nicht gelungen. Die Gemeinden veröffentlichen diese Subventionen nur auf Sammelkonten. Aus Gemeindenachrichten erfährt man dann, dass etwa für die Sanierung der Kapelle 4,000 Euro und für den Kirchenchor 2,000 Euro aufgewendet wurden.
Die Atheisten Österreich haben sich jetzt diesem Thema gewidmet und aus öffentlichen Daten eine Berechnungsgrundlage extrahiert. In ihrem Beitrag: “Kirchenfinanzierung durch Gemeinden – Ein bislang wenig beachtetes Thema” sind die Ergebnisse zusammengefasst. Damit ist jedenfalls eine Grundlage für den längst fälligen Überblick geschafffen worden.