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Das enthält einen zentralen Denkfehler. Dass "1G" grundrechtschonender ist. Dass nur Geimpfte am öffentlichen Leben - oder zumindest wichtigen Bereichen - teilnehmen dürfen, setzt eine Kontrolldichte voraus, die ein weitaus stärkerer Eingriff in Grundrechte ist als eine Impfpflicht je sein könnte.

Wir haben jetzt schon mit diesem unseligen Lockdown für Ungeimpfte die untragbare Situation, dass die Republik ihre hoheitlichen Aufgaben - nämlich die Überwachung der Einhaltung von Gesetzen - völlig unreguliert an zehntausende Beschäftigte von Privatunternehmen delegiert hat. Diese haben auch das Recht, ja sogar die Pflicht, im Zweifelsfall nicht nur höchstpersönliche Gesundheitsinformationen zu kontrollieren sondern auch Ausweisdokumente.

Was mit diesen Informationen geschieht, welche Durchsetzungsrechte die mit hoheitlichen Aufgaben Belehnten haben - vom Verbot der Festnahme mal abgesehen -, ist völlig ungeklärt. Ja, noch nicht mal die Identität der Betroffenen wird dokumentiert, es wird nicht sichergestellt, dass die auch imstande sind, diese Aufgaben zu bewältigen. Ein Ende dieses Zustands ist vorerst nicht absehbar. Das ist sowohl aus staatstheoretischen Überlegungen wie von der Grundrechtsseite her ein untragbarer Zustand.

Zumal ein unter Umständen zu Unrecht Betroffener hier auch nicht die geringste Möglichkeit hat, sich zur Wehr zu setzen. Selbst in Österreich, wo dem Normenunterworfenen nur wenige und sehr schlechte Verteidigungsmöglichkeiten gegen Behördenversagen- oder willkür eingeräumt werden, kann man zumindest gegen falsche Entscheidungen berufen. Bei einer zu Unrecht verweigerten Dienstleistung eines privaten Unternehmens geht das in diesem Fall praktisch gar nicht.

Das ist Überwachungsstaat durch die Hintertür - und mit offensichtlich gar keinen Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen.

Seltsamerweise - und ich schreibe das aus der Perspektive eines dreifachgeimpften Befürworters einer Impfpflicht - stört diese abstruse Kombination aus staatlicher Selbstaufgabe und staatlichem Totaldurchgriff kaum jemanden sonderlich. Dahinter steckt die untertanenhörige Meinung, wer nichts zu verbergen habe, müsse auch keine Kontrolle fürchten. Der Staat dürfe uns ja wohl durchleuchten, wie er wolle.

Das ist auf Dauer wesentlich gefährlicher als eine Impfpflicht je sein könnte.

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