Käufliche Medien, politisch geförderte Abhängigkeit
Newsletter Nr. 56 – Gastkommentar, Die Presse 20. Oktober 2021
Der folgende Text erscheint leicht gekürzt in der heutigen Ausgabe der Presse und online hinter einer Paywall, aber hier in voller Länge.
Regierung und Medien: Abstandsregel verlernt
Subventionierter Journalismus macht auch politisch abhängig.
Der für das Verhältnis von Regierung und Medien politisch relevante Kern der hinlänglich bekannten 104-seitigen „Anordnung der Durchsuchung und Sicherstellung“ lautet zusammengefasst: Die ÖVP kaufte sich in manchen Medien – nicht aus ihrem Budget, sondern mit dem Geld der Ministerien – journalistische Berichterstattung. Die umfangreiche Darstellung zeigt außerdem, wie viel Energie Thomas Schmid und seine Komplizen in die Abwicklung dieser Geschäfte gesteckt haben und sich damit auch noch der Illusion hingegeben haben, selbst etwas geleistet zu haben. Das hündische Gehabe, mit dem Schmid das Apportieren seiner publizierten Fiktionen selbst beklatscht, quittiert sein Chatpublikum mit verbalen Leckerlis. Die Stimmung im Rudel ist gut.
Es ist auch das Ausmaß an Aufmerksamkeit, das die Pflege dieser illegalen Meinungsplantagen im Blätterwald in Anspruch nimmt, das vor allem eine Frage aufwirft: Blieb für das Team des zweifachen Altkanzlers genügend Zeit, seine eigentlichen Aufgaben ordentlich zu erledigen?
Die türkise Zelle rund um und mit Sebastian Kurz bewirtschaftete nicht nur intensiv die Fellner-Medien, deren Potenzial allein für eine breitere Meinungsmanipulation nicht ausgereicht hätte, es mussten auch viele andere bedient werden. Dabei waren so krumme Deals nicht notwendig; oft reichte der Aufbau eines persönlichen Verhältnisses zu Redaktionen, ein Hintergrundgespräch mit dem Kanzler, exklusive Vorabinformation, ein Frühstück mit Gugelhupf, vielleicht auch ein gemeinsamer Rausch in einem Wiener Klub – Friends with Benefits, begleitet mit einem gewissen Anzeigenvolumen.
Die Ausgaben für Medienkooperation im Außenministerium beschleunigten mit dem neuen Minister Kurz im Jahr 2014 von 0 auf 1.000.000 Euro in 3,2 Quartalen, um sich nach seiner Amtszeit einem Nullbudget wieder stark anzunähern. Andreas Wetz hat nicht nur das in einer Spezialausgabe von News nachvollzogen, sondern in seinem kürzlich erschienenen Buch „Näher als erlaubt – Wie sich die Politik mit Steuergeld Medien kauft“ aufgedeckt, aus welchen direkten (222 Mio. Euro in Form von Inseraten) und indirekten (rund 45 Mio. klassische Medienförderungen) Zuwendungen die österreichische Medienlandschaft alimentiert wird und welche Medienhäuser, weltanschaulichen Netzwerke und Verlegerfamilien davon profitieren. Daraus geht auch quantitativ hervor, was jeder, der im politmedialen Komplex arbeitet, weiß: dass es eine ungesunde Wechselwirkung zwischen Regierungspolitik und Nachrichtenmedien gibt. Diese Zweckgemeinschaften beschränken sich inhaltlich keineswegs auf Österreich, Heute und die „Krone“, sondern reichen weit in den Bereich des Qualitätsjournalismus hinein – ohne zu vergessen, dass die öffentlich gewordene Dreistigkeit der Brüder Fellner dennoch herausragend sein dürfte.
Medien in der Bredouille
Das enge Verhältnis von Medien und Politik geht auch über Verbindungen zu Eigentümern und Chefredaktionen hinaus. Journalistische Beiträge mit individuellem oder sehr selektivem Fakteneinsatz produziert nicht nur Wolfgang Fellner, das kommt – freilich nur punktuell – in den besten Redaktionen des Landes vor. Der Grund dieser Annäherung liegt auch in der schwieriger gewordenen Finanzierbarkeit von Journalismus. Ohne eine von inhaltlicher Einflussnahme dauerhaft unabhängige Profitabilität kann es keinen unabhängigen Journalismus geben. Dass philanthropische Gönner Medien unterstützen, weil sie beispielsweise investigative Recherche für ein gutes Konzept halten, ist eher die Ausnahme, aber auch keine taugliche Lösung, wenn – ich erfinde etwas – ein Mäzen ohne langjährige Verpflichtung von heute auf morgen die Finanzierung einstellt. Dieses Modell sei nur aus Gründen der Vollständigkeit erwähnt; die meisten Medien arbeiten mit einer einnahmenseitigen Mischbudgetierung aus Verkauf, Anzeigen und Förderung.Die Finanzierung rein aus der Vergebührung der Nutzung zu beziehen, wäre für alle Beteiligten die schönste Lösung, nur ist das im kleinen österreichischen Markt unmöglich. Das gelingt ausschließlich dem ORF, der mit dem staatlichen Gewaltmonopol im Rücken aus der Bevölkerung Gebühren extrahieren kann. Und nicht einmal damit findet das größte Medienhaus des Landes das Auslangen: Knapp 300 Millionen Euro entzieht der ORF auch noch seinen Werbekundinnen, deren Engagement im restlichen Medienmarkt natürlich auch mit gewissen Erwartungshaltungen verbunden ist. In ernstzunehmenden Tageszeitungen wirkt es manchmal wie Schweigegeld, wenn sich ein Glücksspielkonzern mit dem Gegenteil von Aufmerksamkeit de facto Leistungslosigkeit in eigener Sache erwartet. Dem gegenüber stehen viele Magazine, die ohnehin nur mehr Sammlungen von Advertorials sind. Aber wie private Unternehmen mit Fachzeitschriften kooperieren und welche Autos, Yogamatten oder Suppenwürfel zu Kulturgütern verdienter journalistischer Hingabe gewandelt werden, unterscheidet sich moralisch dramatisch von der Inszenierung politischer Produkte und ihrer Finanzierung mit Steuergeld.Um Funktion und prinzipielle Arbeitsweise von unabhängigem Journalismus zu verstehen, fehlen der österreichischen Spitzenpolitik nachgewiesenermaßen Ausbildung und Kompetenz. Wenn Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka öffentlich (ironischerweise bei Wolfgang Fellner) verkündet, dass für Inserate „ein Gegengeschäft“ verlangt werden darf, und Bundeskanzler Sebastian Kurz sich bei Martin Thür in der ZiB2 für Anzeigen „Berichterstattung“ erwartet, dann offenbart das eine unglaubliche Respektlosigkeit gegenüber dem gesamten journalistischen Berufsstand.Die ÖVP versucht sich die für sie vermeintlich relevanten Medien (der ORF ist mitgemeint) herzurichten. Sie verzögert seit Jahren die Neustrukturierung einer sinnvollen Medienförderung und ORF-Reform und nützt stattdessen die durch die Energie der digitalen Transformation aper gewordenen Geschäftsmodelle dazu, den Journalismus über die in Österreich übliche Verhaberung hinaus in ökonomische Abhängigkeiten zu führen. Auch wenn es hier – außer bei kleinen Marktbereinigungen – noch nicht ums Überleben geht. Horst Pirker, Chef der Verlagsgruppe News, fasst es so zusammen: „Für die anderen Medien ist die – gesetzlich geregelte – Medienförderung eine bescheidene Verbesserung der schwierigen Rahmenbedingungen. Frei vergebene Steuergelder sind für sie ,Butter aufs Brot‘, dicker für den Boulevard, dünner für die Qualitätsmedien; existenziell sind sie für diese Gruppe von Medien nicht.“
Das Geld ist da
Die direkte ökonomische Verbindung von Regierungen auf jeder Ebene (Bund, Länder) und Medien gehört gelöst. Medienförderungen, wenn sie nicht wie bei der Corona-Sonderförderung zu zusätzlicher Marktverzerrung führen, sind als Wirtschaftsförderungen vertretbar, vor allem in einer Zeit, in der Journalismus durch die abgeschlossene Digitalisierung von Medientypen und den begleitenden fortwirkenden digitalen Wandel von Gesellschaft und Wirtschaft einem dauerhaften Stresstest ausgesetzt ist.Die Mittel für diese Langzeitüberbrückung sind jedenfalls vorhanden: Die direkte und indirekte Medienförderung beträgt in Summe mehr als 250 Millionen Euro. Mit einer sinnvollen Neuverteilung könnten Public-Value-Inhalte, journalistischer Pluralismus und Regionalität mit größerer Treffsicherheit unterstützt werden als jetzt und gleichzeitig politische Abhängigkeit vermieden werden.
P.S.: Außerdem sollten die Werbeeinnahmen des ORF über einen vertretbaren Zeitraum abgeschichtet werden. Die Leistungen, die beim ORF abgebaut werden können, sind jene, die der private Medienmarkt von sich aus abdeckt. Stünden die knapp 300 Millionen Euro diesem zur Verfügung, dann ließe sich mit einer einfachen Rechnung nachvollziehen, dass die Medienförderungen selbst ohne Qualitätsverlust im Gesamtmarkt reduziert werden können.